Das Holzhausschiff

27. November 2020, 7:00 Uhr | Jessica Stütz

Auf der holländischen Nordseeinsel Vlieland unterliegt das Baurecht strengen Regularien. Genehmigt werden fast nur noch Ersatzbauten, so wie das Ferienhaus ’t Kulkje. Dessen Gründungsebene mit Untergeschoss aus Stahlbeton taucht komplett in die angrenzenden Sanddünen ein, sodass der obenauf platzierte Holzbau mit Erd- und Dachgeschoss sich nahtlos in das bestehende Siedlungsgefüge integriert.

Im Zentrum von ’t Kulkje steift eine Verbundkonstruktion aus verzinktem Stahl, die um das mittige Treppenhaus platziert wurde, das Gebäude aus. Der Lastabtrag des Daches, das
sich aus 15 cm dicken, großformatigen Brettsperrholz(BSP)-Elementen zusammensetzt, erfolgt gleichmäßig über die dadurch recht schmal gehaltene Brettschichtholz(BSH)-Pfosten- Riegel-Konstruktion des verglasten Erdgeschosses und von dort in das Fundament. Zwecks zusätzlicher Stabilisierung wurde der 18 cm dicke BSP-Boden des Dachgeschosses, der auf der Stahlkonstruktion ruht, in das BSP-Dach eingehängt.

Das Holzhausschiff

Auf einer Insel in
den Niederlanden haben sich die Baubeteiligten wegen strenger lokaler Bauvorschriften etwas
ganz Besonderes
einfallen lassen
müssen (Foto: Pieter Kers für Borren Staalenhoef Architecten)
Im Zentrum von
’t Kulkje steift eine
Verbundkonstruktion
aus verzinktem
Stahl, die um das mittige Treppenhaus platziert wurde,
das Gebäude aus (Foto: Pieter Kers für Borren Staalenhoef Architecten)

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Einheit von Topografie, Historie und Architektur

Das Ferienhaus ’t Kulkje wird zuvorderst von seinem räumlichen Faltdach geprägt, das die Form des Satteldaches, gleichwohl ohne Sparren und Traversen, neu interpretiert. Die Inszenierung als umgedrehter Schiffsrumpf mit abgewinkelten, weit heruntergezogenen Seiten basiert auf einer Tragschale aus BSP-Elementen, die ebenso den Außen- wie auch, da in Sichtqualität ausgeführt, den Innenraum prägt. Dabei folgt die Materialität der nautischen Inselhistorie. Des Weiteren spiegelt die organische Dachkonstruktion mit ihren kongruenten Dreiecksflächen, wechselnden Konturen und Stößen die freien Urkräfte der Erosion durch Wind und Regen wider, welche die Topografie der Wattinsel seit jeher prägen und stetig verändern. Selten ist es einer Architektur gelungen, den lokalen Natur- und Kulturraum derart in ein Bauwerk einzubeziehen.


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