Einfach überbrückt

28. Oktober 2022, 8:00 Uhr | Jessica Stütz

Was haben der Ponte Vecchio in Florenz und der IQL-Pavillon in Stratford miteinander gemein? Beide Bauwerke nutzen eine Brücke als Basis für einen – der IQL-Pavillon – oder mehrere – der Ponte Vecchio – Hochbauten. Während die Häuser auf dem Ponte Vecchio beide Ränder der Brücke über dem Fluss Mugnone säumen, ruht der von ACME Architekten in Zusammenarbeit mit Arup geplante IQL-Pavillon komplett auf einem Tunnel der Docklands Light Railway. Um die Gewichtsgrenzen der Brückenstruktur nicht zu überschreiten, wurde der Neubau als Holzskelettbau gebaut. BK Structures übernahm die Konstruktion des Holzskelettbaus, Blumer Lehmann hat die Holzelemente der Fassade entwickelt und produziert.

Einfach überbrückt

Ein Netzwerk bildet die Basisstruktur des Pavillons (Fotos Arup)
Dank Vorfertigung konnten die Einzelteile binnen kürzester Zeit montiert werden
Während die Geschosse außen auskragen, formen sie innen ein Sechseck

Alle Bilder anzeigen (3)

In seinem Bauch nimmt das über 1.100 m2 Fläche umfassende, dreistöckige Gebäude nicht nur das Besucherzentrum des „ Queen Elizabeth Olympic Park“ auf, sondern auch Restaurant-, Besucher- und Caféflächen. Weitere 770 m2 entfallen auf zugängliche Terrassen. Die äußere Hülle bildet eine großflächige Glasfassade. Weit auskragende Vordächer aus Holzlamellen sitzen wie eine zweite Fassade vor dieser Konstruktion und verleihen dem Gebäude das Aussehen eines modernen Amphitheaters. Fast die komplette Holzkonstruktion wurde extern vorgefertigt, wobei das Holz präzise zugeschnitten für den sofortigen Einsatz auf der Baustelle geliefert wurde. Dort musste es nur noch platziert und verschraubt werden, so dass das Aufstellen des Rohbruchs nur 14 Wochen beanspruchte. Zum Anheben der leichten Holzbauteile war darüber hinaus nur ein kleiner Kran erforderlich. Die weitgehende Vorfertigung der Holzbauteile machte es somit nicht nur möglich, die Baugeschwindigkeit auf dem beengten Grundstücksgelände zu erhöhen. Auch die Lärm und Staubbelästigung der Nachbarn konnte dank der Vorfertigung reduziert sowie die Baulogistik an der stark befahrenen Durchgangsstraße optimiert werden.

Ein starkes Netz als Basiskonstruktion

Der für das Joint Venture IQL von Lendlease und London Continental Railways (LCR) errichtete Pavillon sitzt auf einem Netz aus Betonbalken, das dessen Lasten gleichmäßig über das Brückendeck verteilt. Die Fundamentlasten konnten daher um rund 50 Prozent reduziert werden, im Vergleich zu einer herkömmlichen Lösung. Die von dem Netz getragene Holzkonstruktion kombiniert Brettsperrholzplatten und Brett- schichtholzträger und formt dabei ein dem Basisnetz weitgehend identisches Raster aus vorgefertigten Elementen. Ausgehend von einem sechseckigen Zentrum kragen die Träger ringsum aus. Die radiale Trägergeo- metrie setzt zudem auf senkrecht zu allen Terrassen positionierte steife Primärträger, die die Steifigkeit der Konstruktion maximieren. In der Mitte des Gebäudes wird die dreieckige Geometrie von einer sechseckigen Balkengeometrie abgelöst, bei der sich benachbarte Balken und Kragarme gegenseitig stützen und so einen wechselseitig lastaufnehmenden und -abgebenden Rahmen bilden. Da das Schwingungsverhalten von leichten Holzkonstruktionen durch die Gebäudenutzer einfach beeinflusst werden kann, griffen die mit der Planung der Holzkonstruktion betrauten Ingenieure von Arup für die Dimensionierung der Stützen und Balken auch auf eine Response-Faktor-Frequenzanalyse zurück. Den dabei verwendeten analytischen Ansatz leiteten sie aus Vor-Ort-Tests früherer Holzböden ab. Damit der Bauherr die dynamischen Bodenreaktionen erleben konnte, „haben wir ihn zudem in unser Büro eingeladen. Dort haben wir die Bewegungen der Nutzer auf einem Rütteltisch simuliert, damit der Kunde einschätzen kann, wie der Boden reagieren würde“, informiert Tim Snelson, Director von Arup.

Die Balkentiefe verjüngt sich von den besonders stark dimensionierten Balken unterhalb der Terrassen bis zum Zentrum, wo die Räume dadurch höher werden konnten. Dies machte es möglich, einen Großteil der Leitungsführung des hier angeordneten Küchenbereichs unterhalb der Balken zu platzieren und die Zahl der erforderlichen Durchdringungen der Holzkonstruktion zu reduzieren.


Jetzt kostenfreie Newsletter bestellen!