Innerstädtische Nachverdichtung

Hölzerne Krönung

25. September 2019, 8:00 Uhr | Jessica Stütz
Gesamtansicht: Das Kronen-Einkaufszentrum samt der Wohnungen (Foto: Sangberg, Polyform, Werk)

Freitag am späten Nachmittag: Sie haben Gäste eingeladen, hatten unter der Woche wegen vieler Termine aber keine Muße für den Einkauf. Also müssen Sie schnell los. Da wünscht man sich dann, dort zu wohnen, wo auch die Läden sind. In der Regel sind das aber keine besonders attraktiven Wohnlagen. Im Kopenhagener Stadtteil Vanløse gibt es hierfür eine Lösung: Seit 2017 kann man auf dem Dach eines Einkaufszentrums wohnen – der Name des Kopenhagener Wohnbebauungsprojekts: „Tagkronen“.

Menschen, die das urbane Leben suchen, denen es zumindest in einer bestimmten Lebensphase nichts aus-macht, auf engem Raum mit Nachbarn zusammenzuleben, werden es auf dem Kronen-Dach aushalten. Dem Einkaufszentrum „Kronen“ wurden insgesamt 158 Wohneinheiten in Holzmodulbauweise aufgesetzt, verteilt auf 18 Blöcke. Die unregelmäßige Anordnung der Blöcke mit Höhenunterschieden und Zwischenräumen spielt zweifellos auf eine Krone an – mit höheren und mit niedrigeren „Zacken“: ein abgeschlossenes, überschaubares Wohnquartier hoch über der Umgebungs-bebauung, im Prinzip ein kleines „Bergdorf“. Derzeit leben hier überwiegend junge Leute unter 50, insgesamt rund 350 Personen. In den Wohnungen selbst bietet „Tagkronen“ nicht unbedingt mehr Platz als andere Objekte, insgesamt wohl aber viel zeitgemäße Lebensqualität. Der Anonymität einer Großstadt wurde hier mit architektonischer Kreativität etwas entgegengesetzt. Auf dem Kronen-Dach wird es mittlerweile richtig grün, allerdings braucht die Vegetation immer eine gewisse Zeit, um sich zu entwickeln.

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Treppen steigen muss man in Tagkronen mögen und können, was zu einem „Bergdorf“ aber irgendwie dazugehört. Die Erdgeschossebene der Dachbebauung wird durch zwei Aufzüge, drei Freitreppen und von zwei Treppenhauskernen erschlossen. Einige Wohnungen wurden dabei gänzlich ebenerdig geplant und sind barrierefrei. Für Familien mit kleinen Kindern gibt es Spielplätze und Sandkisten, die Entsorgung wurde an zwei Stellen auf dem Dach konzentriert. Wo viele Menschen dicht aufeinander wohnen, gibt es Regeln, die eingehalten werden müssen. Die betreffen in erster Linie den Brandschutz, dem hier viel Bedeutung beiemessen wurde. Immerhin, gegrillt werden darf hier. Es gibt aber eben auch Einschränkungen der individuellen Nutzung von Gemeinschaftsflächen. Das heißt, auch das teure Rennrad muss ins Fahrrad-Parkhaus und das in Dänemark beliebte Lastenfahrrad auf den dafür vorgesehenen Stellplatz, auch wenn der 100 m hinter dem Gebäudekomplex liegt. Viele Wohnungen haben eine kleine – allerdings fast immer einsehbare – Terrasse oder einen Balkon. Weil die Wohnungen selbst nur über sehr wenig Stauraum verfügen, gehört zu jeder Wohneinheit immer noch ein Kellerabteil.

Hölzerne Krönung

Frontansicht: Über dem Haupteingang wurde das  Dach mit vier Geschossen  
aufgestockt. Entstanden sind  Wohnungen für Studierende (Foto: Sangberg Arkitekter)
Die Begrünung der Dachsiedlung fasst im zweiten Frühjahr langsam Fuß (Foto: Leonhard Pirson)
Links das Einkaufszentrum Kronen mit Parkgarage,  zwei Einkaufsebenen und der Dachbebauung, in Bildmitte das zweigeschossige Fahrradparkhaus mit Freiterrasse darüber, rechts davon zwei Gleise der Metro und ein Gleis 
der S-Bahn. (Foto: Sangberg, Poly

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Einkaufszentrum im zweiten Anlauf

Der Beginn des Projekts „Kronen“ verlief eher holprig. Der Projektname des gleichnamigen Einkaufszentrums geht zurück auf eine 1914 gegründete Fabrik, in der Kronen-Margarine hergestellt wurde. Die
Margarineherstellung wurde irgendwann eingestellt. Im Zuge der Stadt-teilentwicklung plante Kopenhagen lange vor der Finanzkrise (2009) mit einem Investor auf dem zentral gelegenen Grundstück den Bau eines Einkaufszentrums. Es sollte zusätzlich noch kulturelle Einrichtungen auf seinem Dach auf-nehmen, etwa eine Stadtteilbücherei. Die Planungen waren aber nicht durchdacht genug und der Zeitpunkt ungünstig. Während der Finanzkrise ging dem Erstinvestor die Luft aus, zurück blieb ein Stahlbeton-Rohbau mit Tiefgarage und zwei halb fertigen Etagen des Einkaufszentrums. Der Baustopp belastete vier lange Jahre die Stimmung im Stadtteil, die Baustelle drohte zu verfallen. Für die Kommune wuchs damit der Druck, eine Lösung zu finden.


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