Gare Maritime in Brüssel

Holz macht neu

29. Mai 2019, 8:00 Uhr | Jessica Stütz
Der ehemals größte Güterbahnhof Europas wird zu einem Komplex mit Büros sowie Einkaufs- und Gastronomieangeboten
© Züblin Timber

Der Gare Maritime in Brüssel, der ehemals größte Güterbahnhof Europas, wird derzeit im Auftrag der Extensa Group in einen Büro-, Einkaufs-, Gastronomie- und Veranstaltungskomplex umgewandelt. Mit bepflanzten Straßen und Boulevards sowie Grünanlagen soll das Quartier Touristen und Einheimische zum Flanieren einladen. Das Klima in den Hallen soll den jeweiligen Jahreszeiten entsprechend angepasst werden. Bereits im Jahr 2018 wurden die sieben Jugendstilhallen aus tragenden Stahlgusselementen mit neuen Dächern versehen. Insgesamt belegt das Gebäudeesemble auf dem Areal des historischen Bahnhof eine Fläche von 45 000 m², 270 m in der Länge und 140 m in der Breite.

In den Hallen, deren Firsthöhe bis zu 24 m erreicht, werden derzeit zwölf viergeschossige Gebäude in reiner Holzbauweise errichtet. Den Auftrag für die Holzbauarbeiten vergab der Generalunternehmer CFE Bouw Flanderen an die Züblin Timber GmbH. Er umfasst die Optimierung des Tragwerks in der Vorkonstruktionsphase, die auf BIM.5D basierende Werkplanung und die Herstellung, Anlieferung und Montage der Holzkonstruktion zum Festpreis.

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Repräsentatives Erscheinungsbild gefragt

Den Auftrag in Brüssel bekam das Holzbauunternehmen in einem offenen Verhandlungsverfahren, in dem es unter anderem seine lange Erfahrung mit dem Bau von Holzgebäuden in hoher Sichtqualität
in die Waagschale werfen konnte. Da der Bauherr Wert auf ein repräsentatives Erscheinungsbild legte, standen in Brüssel neben makellosen Holzoberflächen eine verdeckte Verbindungstechnologie, eine Fertigung mit minimalen Maßtoleranzen und eine hohe Montagegenauigkeit im Pflichtenheft.

Holzskelett mit zentraler Aussteifung

Das Aichacher Unternehmen ist lediglich für den Rohbau der Holzgebäude im Gare Maritime verantwortlich. Diese bestehen aus einer Holzskelettkonstruktion, deren senkrechte Lasten von Stützen (maximal 36 × 36 cm), Unterzügen und Rippen aus Fichte- Brettschichtholz abgetragen werden. Die Rippen werden auf der Baustelle mit Brettsperrholzplatten zu großflächigen Deckenelementen verschraubt. Karl-Heinz Roth, Leiter der Akquisition von Züblin Timber: „Wir haben uns für eine Verschraubung entschieden, weil wir so angesichts der beachtlichen Grundfläche das Transportvolumen deutlich reduzieren konnten.“ Das Holzvolumen sowie die damit verbundene Logistik und Organisation stellen eine der großen Herausforderungen des Projekts dar. Dies umso mehr, als man es beim Gare Maritime mit einer überdachten Baustelle mit eingeschränkten Zugängen zu tun hat. Es ist deshalb keine leichte Aufgabe, insgesamt 6000 m³ Brettsperrholz und 3000 m³ Brettschichtholz optimal getaktet an ihren Einbauort zu bringen. Zum anderen muss man wegen der Überdachung die Bauteile in den Hallen mit Hebezeugen bewegen, wobei die zentralen Erschließungstürme in der Mitte jedes Holzgebäudes bis zum Hallendach reichen.

Diese rund 8 × 10 m großen Türme aus Brettsperrholz, in denen sich das Treppenhaus, der Aufzug und die senkrechten Versorgungsleitungen befinden, haben neben der Erschließung auch eine statische Funktion: Sie dienen der Aussteifung und tragen die horizontalen Lasten ab, die sich bei den in der Halle errichteten Gebäuden weniger aus der Windlast als aus den Dimensionen ergeben. Jeder Block in den großen Jugendstilhallen hat bei Außenmaßen von 45 × 45 m und vier sich verjüngenden Geschossen eine Grundfläche von rund 5000 m². Da sich in den Büro- und Shoppingbereichen hohe Verkehrslasten ergeben, sind die resultierenden Horizontalkräfte gewaltig. Die vergleichsweise kleinen Aussteifungstürme mussten deshalb mit extra groß dimensionierten Stahllaschen im Boden verankert werden, deren verdeckter Einbau nicht immer einfach war.


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