Neues Leben eingehaucht

29. März 2021, 8:00 Uhr | Jessica Stütz

Im Jahr 1158 wurde die Stadt München erstmals urkundlich erwähnt. Gut Freiham im Westen der bayerischen Metropole ist noch ein paar Jahre älter: Schon 1136 taucht der Name Villa Frihaim in einem Schriftstück von Papst Innozenz II. auf. 1390 war daraus das Dorf Freiham geworden, mit 15 kleinen Bauernhäusern, einer Kirche und einem Pfarrhof. Im Mittelalter veränderte sich die Ansiedlung erneut. Schriftliche Aufzeichnungen aus dem Jahr 1564 bezeichnen Freiham nicht mehr als Dorf, sondern als wirtschaftliches Gut. Anfang des 20. Jahrhunderts hatte sich dieses zu einem Mustergut entwickelt, das mit modernster Technik in den schönsten Gebäuden glänzen konnte.

Ende des 20. Jahrhunderts war Schluss mit der landwirtschaftlichen Vorzeigerolle. 20 Jahre lang lag das 2 ha große Gelände weitgehend brach und wechselte in dieser Zeit mehrfach den Eigentümer. 2014 ging es schließlich in den Besitz der Edith-Haberland-Wagner-Stiftung über, der auch die Augustiner Brauerei zur Hälfte gehört. Neben den landwirtschaftlichen Gebäuden sicherte sich die Käuferin auch die sogenannte Heilig-Kreuz-Kirche, zahlreiche Wirtschaftsbauten und nicht zuletzt das einstige Herrenhaus. Seither verwandelt sie das Kulturdenkmal schrittweise in ein Naherholungsziel für Familien: ein Dorf aus dem 19. Jahrhundert, mit Kirche, Spielplätzen und einem Gasthof mit angeschlossenem Biergarten. Das Herrenhaus wird gerade zum Gasthof umgebaut. Der sanierte alte Pferdestall ist bereits zur neuen Heimat der Brauereirösser der Stiftung geworden, in den ehemaligen Stierstall zieht eine Fassmanufaktur ein. Die stillgelegte Schnapsbrennerei wird reaktiviert. Ein Museum ist in Planung, und auch diverse Handwerksbetriebe sollen auf dem Gelände angesiedelt werden.

Neues Leben eingehaucht

Die Vordächer
des ehemaligen
Stierstalls
wurden am
Boden saniert und
wieder montiert
beziehungsweise
komplett
erneuert (Foto: Beatrice Vohler/ Frank Zimmerei und Holzbau)
Der Stierstall
vor Sanierungsbeginn (Foto: Beatrice Vohler/ Frank Zimmerei und Holzbau)
Nach historischem Vorbild: Die neue Toranlage der Kutschenhalle
lässt sich fast gänzlich öffnen (Foto: Beatrice Vohler/ Frank Zimmerei und Holzbau)

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Zuvor jedoch werden die einzelnen Bauten auf dem Gut revitalisiert. „Nach der im Winter 2016 wieder eröffneten Kirche war 2017/18 die Generalsanierung des Pferdestalls und dessen Kopfbaus an der Reihe. Und seit 2018 sind wir mehr oder weniger durchgehend im Gut Freiham beschäftigt“, erzählt Bernhard Kilmarx, Geschäftsführer der Münchner Zimmerei Frank. Der auf Restaurierungen und Sanierungen von denkmalgeschützten Gebäuden spezialisierte Holzbaubetrieb ist ein wichtiger Bestandteil des Teams erfahrener Sanierungsspezialisten, die das komplett unter Denkmalschutz stehende Großprojekt in enger Zusammenarbeit mit der Denkmalbehörde nach und nach instand setzen. Zu den Bauvorhaben, die die Zimmerer entweder schon fertiggestellt haben oder an denen sie gerade arbeiten, gehören die Ausstellungshalle für die Kutschen und der ehemalige Stierstall, ein alter Schuppen und nicht zuletzt das ehemalige Herrenhaus nebst Nebengebäuden. Zusätzlich haben sie den Pferdestall um drei 10 m × 5 m bzw. 15 m × 5 m große, als Holzrahmenkonstruktion mit Lärchenschalung und Dreifachschindeldeckung ausgeführte neue Paddocks ergänzt.

Vom maroden Lager zum Ausstellungsraum

Begonnen hat alles mit den Baumaßnahmen an einer großen Lagerhalle, die auf diesem Weg in eine Ausstellungshalle für die Kutschen der Brauerei verwandelt wurde. Im Sommer 2018 waren die Zimmerer dazu mit dem eigenen Baustellenkran, mit Teleskopradlagern und Hebebühnen auf dem Gut angerückt. Ihr Auftrag: Abfangungsmaßnahmen zur Sicherung des Bestands sowie statisch notwendige Verstärkungen der Dachkonstruktion durch Stahlträger und natürlich die Sanierung und Überarbeitung der kompletten Holzkonstruktion. Mit dem Ziel, möglichst viele Bauteile der bestehenden Halle zu erhalten und den Rest behutsam zu erneuern bzw. zu ergänzen, wurde das gesamte Gebäude zunächst neu gegründet und erhielt eine Bodenplatte aus Beton. Die verrotteten Fußpunkte der Bestandsstützen ergänzten die Handwerker

im Anschluss querschnittsgleich durch sogenannte Prothesen. Stahlfüße im Inneren dieser Holzkonstruktionen stellen deren Stabilität sicher. Dafür notwendige Durchdringungen und Anschlussstellen verschließen Stabdübel und Holzstöpsel so, dass die Profile von außen nicht mehr sichtbar sind. Bitumenbahnen unter den Fußpunkten tragen zusätzlich dazu bei, dass alles künftig trocken bleibt.


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