Fachtagung proHolz BW 2022

Bei seiner Begrüßung betonte proHolzBW-Geschäftsführer Uwe André Kohler die notwendige Neuorientierung des Bausektors aufgrund der dringenden Fragen der Klimakrise (Fotos: Christoph Morlok)

Am 18. Oktober 2022 fand die 44. Fachtagung Holzbau Baden-Württemberg in Leinfelden statt. Mehr als 300 Teilnehmer nahmen die Gelegenheit wahr, sich Vorträge von hochkarätigen Referenten anzuhören und die erstmalige Verleihung des Promotionspreises Holz-Baukultur Deutschland zu begleiten.

Zwölf Referenten, 300 Teilnehmer, 36 ausstellende Unternehmen – dies die Kenndaten der 44. Fachtagung Holzbau BW, die nach längerer Zeit der Abstinenz wieder in die Filderhalle in Leinfelden zurückkehrte. Die Veranstalter proHolzBW und Hochschule Biberach zogen eine positive Bilanz einer Fachtagung, die in diesem Jahr das Leitthema „Kreislauffähiges Bauen mit Holz“ im Fokus hatte.

Bei seiner Begrüßung betonte proHolzBW-Geschäftsführer Uwe André Kohler die notwendige Neuorientierung des Bausektors aufgrund der dringenden Fragen der Klimakrise: „40 Prozent des weltweiten CO₂-Ausstosses werden durch das Bauen verursacht, allein in Deutschland fallen jährlich 230 Millionen Tonnen Abfälle durch die Bau- und Gebäudewirtschaft an.“ Dringender Handlungsbedarf also für das Denken und die Umsetzung in geschlossenen Kreisläufen mit dem Ziel, die Wiederverwendung von Bauteilen zu forcieren.

Nils Nolting von Cityförster architecture urbanism PartGmbH stellte mit dem Recyclinghaus ein „experimentelles Wohnhaus vor, das bundesweit einen einmaligen Umfang des Einsatzes von Recycling- und Gebrauchtmaterialien ausweist“. Dies führt nach Aussage des Architekten „zur erheblichen Verminderung der grauen Energie und zu immensen Ressourceneinsparungen im Herstellungsprozess“. Beispiele dafür: Rund 90 Prozent der Fassadenbekleidungen sowie sämtliche Fenster und Außentüren wurden aus gebrauchten Bauteilen hergestellt. Auch beim Innenausbau wurden laut Nolting „fast vollständig auf gebrauchte Bauteile und Materialien zurückgegriffen“. Wichtig dabei: Die gebrauchten Bauteile wurden ausschließlich lokal in der Region rund um die niedersächsische Landeshauptstadt gewonnen.

Peter Hauk proHolz BW

Peter Hauk – Minister für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz in Baden-Württemberg – setzt auf den Baustoff Holz

Holzhybridgebäude in Düsseldorf

The Cradle ist, so Carmen Stirmlinger von HPP Architekten Stuttgart, „als erstes Düsseldorfer Bürogebäude in Holzhybrid-Bauweise geplant“. Der Anspruch ist hoch: „Das im Medienhafen prominent liegende Gebäude hat das Ziel, zu einer Wiege der Innovationen zu werden und Impulse für die Zukunft des Bauens zu setzen“, so Stirmlinger weiter. Der Einsatz von Holz steht im Vordergrund, lediglich die Untergeschosse, der aussteifende Kern und die Stützen des Erdgeschosses sind in Stahlbeton vorgesehen. Die Tragwerksplanung von The Cradle liegt in den Händen von knippershelbig Stuttgart, Boris Peter erläuterte die Ausgangslage: „Die Konstruktionsprinzipien folgen dem Cradle to Cradle Konzept, so dass bei allen Materialien auf Nachhaltigkeit und Recyclingfähigkeit geachtet wird. Es werden die technischen Möglichkeiten von Stahlbeton und Holz genutzt, das Gebäude lotet diese bis an die Grenze des Machbaren aus.“

Konsequent auf den Baustoff Holz setzen auch die sogenannten „Stromrebellen“ aus dem Südschwarzwald, die Elektrizitätswerke Schönau (EWS). Der 2020 fertiggestellte Neubau des Verwaltungsgebäudes wurde von Marco Engler, Harter + Kanzler Architekten Freiburg, und Markus Rommel, Ingenieurbüro Wirth-Haker Freiburg, vorgestellt. Der vierstöckige Holzbau der Gebäudeklasse 4 besteht ab dem ersten Obergeschoss aus so Engler „Brettsperrholz-Bauteilen für Wände, Decken und Dach mit sichtbaren Oberflächen aus Weisstanne“. Beim Brandschutz werden die Anforderungen an hochfeuerhemmende Bauteile in Holzbauweise (F60) erfüllt. Aus Sicht des Tragwerksplaners richtete Rommel sein besonderes Augenmerk der Erdbebensicherheit: „Die Bemessung der Erdbebenlasten zeigt, dass der Holzbau hier Vorteile hat und Aussteifungskerne aus Stahlbeton durchaus verzichtbar sind.“

Durch die am gleichen Tag stattfindende Plenarsitzung im baden-württembergischen Landtag konnte Minister Peter Hauk, Minister für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz in Baden-Württemberg, sein Grußwort nicht zu Beginn der Fachtagung halten. Entscheidend war aber nicht der Zeitpunkt, sondern der Inhalt seiner Rede: „Baden-Württemberg hat sich das Ziel gesetzt, bis 2040 klimaneutral zu werden. Dabei kommt es ganz entscheidend auf den Bausektor an.“ Mit der 2018 initiierten Holzbau-Offensive setzt das Land laut Hauk sehr stark auf den Baustoff Holz: „Wir müssen uns neu orientieren, dies tun wir auf verschiedenen Ebenen: z.B. ist die Landesförderung von Gewerbebauten nur noch für Holzbauten möglich, wir arbeiten an der Vereinfachung des Ordnungsrechtes und wollen die Verwaltungsmitarbeiter weiter schulen.“ In der Holzbau-Offensive BW haben sich sechs Ministerien des Landes zusammengeschlossen, die Federführung liegt beim von Peter Hauk geführten Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz BW.

Fachtagung proHolz BW 2022

Laudator Prof. Stefan Krötsch (HTWG Konstanz)

 Promotionspreis Holz-Baukultur Deutschland

Zum Abschluss der Fachtagung erlebten die Teilnehmer eine Premiere: die erstmalige Verleihung des Promotionspreises Holz-Baukultur Deutschland. Damit werden Nachwuchswissenschaftler*innen ausgezeichnet, die sich im Rahmen ihrer Doktorarbeit mit der praktischen Anwendung des Werkstoffes Holz im Bauwesen auseinandersetzen. Erster Preisträger ist Dr. Nico Meyer für seine Dissertation „Tragfähigkeit mechanischer und geklebter Verbindungsmittel in Buchenfurnierschichtholz“, die er 2020 an der Fakultät für Bauingenieur-, Geo- und Umweltwissenschaften des Karlsruher Institutes für Technologie abschloss.

Prof. Stefan Krötsch, HTWG Konstanz, Mitglied und Sprecher der siebenköpfigen Jury, war es vorbehalten, die Laudatio auf den ersten Preisträger zu halten: „Mit seiner Arbeit hat Dr. Meyer Kennwerte für Buchen-Furnierschichtholz ermittelt, die bereits in bauaufsichtlichen Zulassungen Verwendung gefunden haben. Dies ist umso bemerkenswerter, weil zuvor noch keine materialgerechten Bemessungen in bauaufsichtlichen Normen oder Regelungen zur Verfügung standen.“

Der Promotionspreis Holz-Baukultur Deutschland wurde ausgeschrieben von proHolz Baden-Württemberg mit Unterstützung der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. (FNR) und Förderung durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). Der mit 2000 Euro dotierte Preis wird mitgetragen durch die Kooperationspartner Landesbetrieb Wald und Holz NRW, Holzbau-Cluster Rheinland-Pfalz und pro holzbau hessen.

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